Nachbetrachtung zur Demonstration in Heidenau am 21.08.2016

Ein Jahr nach den pogromartigen Ausschreitungen in Heidenau demonstrierten ca. 150 Teilnehmer*innen unter dem Motto “Wir vergessen nicht! Das Schweigen in der sächsischen Provinz brechen” durch die Kleinstadt. Im nachfolgenden Text möchten wir eine kurze Auswertung der Organsiation der Demonstration sowie des eigentlichen Demonstrationsgeschehens abliefern. Im zweiten Teil des Textes möchten wir noch auf das Presseecho der Veranstaltung eingehen.
Im Vorfeld der Demonstration war es bereits zu massiver Kritik an einzelnen Akteur*innen gekommen, da der ursprüngliche Anmelder der pirnaer Ortsgruppe Bündnis 90/Die Grünen sich gegenüber dem Orgateam sehr unkooperativ zeigte und viele Orgaaufgaben nicht von Menschen oder Gruppen aus der Region um Heidenau und Pirna getragen wurden. So konnte die anfängliche Idee einer linken bürgerlichen Demonstration nach vielen Unstimmigkeiten und fehlendem Engagement nicht umgesetzt werden. Viele organisatorische Lücken stellten sich erst nach dem Beginn der Mobilisierung heraus, so dass der Großteil der Orga im Endeffekt kurzfristig von der Vernetzung getragen wurde. So stellt sich auch im Nachhinein die Frage wie hoch das tatsächliche Interesse örtlicher Antifaschist*innen an dieser Veranstaltung war und ob es das organisatorische Unvermögen oder Desinteresse war, welches die Mobilisation an vielen Stellen eingeschränkt hat.
Die Demonstration selbst zeigte sich optisch als Veranstaltung primär junger, weißer und schwarz gekleideter Menschen und vermittelte einen sehr martialischen Eindruck. Wir bedauern es sehr das es von Seiten der Demoorga keine Bestrebungen gab, eine Veranstaltungen mit Geflüchteten in der Region zu veranstalten und diese zu Wort kommen zu lassen. Auch ist zu bemerken das die Mobilisation im gesamten sicherlich abschreckend auf viele nicht Deutsche wirkte. Selbst das Mobimaterial mutete eher nach einem Design der Faschisten Ende der 90er Anfang der 2000er Jahre an und wirkte wenig einladend. 
Am Ende der Demonstration äußerte bereits ein Vertreter der Freien Arbeiter*innen Union Kritik an der arroganten, elitären Haltung der Teilnehmer*innen gegenüber den Menschen in Heidenau als Kleinstadt in der sächsischen Provinz. Diese hatten bereits zu Anfang der Veranstaltung junge Heidenauer*innen, die sich der Demo anschließen wollten, durch klassistische und provinzfeindliche Sprüche verschreckt. Im weiteren Demoverlauf war es von Seiten der Teilnehmer*innen immer wieder zu Beleidigungen, Drohungen und Abfotografieren von Rechten gekommen. Die Parole „Scheiß Drecksnest!“ dominierte an vielen Stellen die Außenwirkung der Veranstaltung. Dass über derartige Sprüche schon länger kritisch diskutiert wird, steht außer Frage und soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Wir sehen in dem Verhalten der Demonstrationsteilnehmer*innen jedoch die logische Konsequenz aus dem Aufruf der Veranstaltung, da dieser die Zielstellungen formulierte „Tragt eure Wut auf die Straße“ und „Brecht mit dem Schweigen“. Hier bedarf es einer weiteren strategischen Diskussion über die Möglichkeiten zur Intervention und Aufarbeitung außerhalb von Großstädten. 
Durchweg positiv wurden die Redebeiträge der einzelnen Gruppen the future is unwritten, NOPE., Antifa Kleinparis, Freie Arbeiter*innen Union und Pirnaer Autonome Linke aufgenommen und auch die Lautimoderation wurde von vielen Einzelpersonen als reflektiert und angenehm gelobt.
Als abschließendes Fazit sehen wir eine große Diskrepanz zwischen der Lautimoderation und den Redebeiträgen der einzelnen Gruppen sowie dem Verhalten einzelner Demoteilnehmer*innen. Wir denken, dass es nicht notwendig ist, seine Wut über die Ereignisse in Heidenau durch klassistische und beleidigende Äußerungen zum Ausdruck zu bringen. Wir würden uns als Konsequenz aus der Veranstaltung eine reflektierte Diskussion über Klassismus und Stadtzentrismus als Konsequenz aus Freital, Heidenau, Clausnitz wünschen. 
Das überregionale Presseecho des Tages lässt sich weitestgehend als neutral bewerten. Es gab von vielen Seiten eine kurze sachliche Beschreibung der Demonstration, welche stärker als Vorwand benutzt wurde, um die Ereignisse in Heidenau 2015 noch einmal aufzurollen und teilweise eine Bilanz nach einem Jahr zu ziehen. Einen erstaunlich kritischen Blick richtete hierbei der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) auf die Vorkommnisse.
Besonders subjektiv und abwertend berichtete Heike Sabel, Journalistin für die Regionalseite Pirna der Sächsischen Zeitung. Günter Eckoldt, Vorsitzender der Linkspartei in Heidenau, der bereits am Tag der Demonstration gegenüber deren Teilnehmer*innen verbal ausfällig und handgreiflich wurde und im Nachhinein der Veranstaltung Juliane Nagel (MdL Die Linke) stark kritisierte, weil er sich durch seine Genossin übergangenen fühlte und eine vorherige Absprache mit den Regionalpolitiker*innen gewünscht hätte. So wird dann auch der Zusammenhang klar, wenn Eckoldts Lebensabschnittsgefährtin Heike Sabel in unterschiedlichen Beiträge immer wieder versucht das Image der Stadt aufzupolieren und die Demonstration der Antifaschist*innen als vollkommen überflüssig in einer Stadt mit solch einer “geschundenen Seele” darzustellen. Dabei äußerte Frau Sabel noch vor einem Jahr gegenüber Journalist*innen von stern.de, sie hätte “noch nie in ihrem Leben […] solche Angst [gehabt], wie an diesem Freitagabend” im August 2015. Heute verteidigt sie die Rassist*innen aus Heidenau, die damals Steine, Böller und Flaschen warfen, damit, dass diese danach “weinend ins Rathaus liefen” und sich dort für ihr Mitlaufen entschuldigten. 
Für uns ist Heidenau nur eines von vielen Beispielen. Statt dass lokale Presse und Politiker*innen die Zivilbevölkerung wachrütteln und sie zum Hinterfragen der Zustände in Sachsen animieren, wird sich nur um einen guten Ruf der Region bemüht und sich nach und nach der Sprache und den Forderungen der Rechten angepasst. Diese Entwicklung werden wir nicht so hinnehmen.